Zwischenmeldung und Lesetipp: Trokkenpresse.

Zur Zeit versuche ich meine Jugend als Co-Abhängiger meiner trinkenden Eltern zu verarbeiten. Das ist teilweise recht heftig. Deshalb war ich vorletzte Woche in einer Al-Anon-Gruppe  zu dem Thema. Es hat mir unheimlich geholfen, mit anderen Betroffenen darüber zu sprechen. Manche Sätze konnte ich nach wenigen Worten abbrechen, da ich merkte, dass die anderen schon verstanden hatten, was ich sagen wollte.

Wenn ich mehr über mich weiß, melde ich mich wieder.

Link dazu:  Al-Anon-Gruppenfinder

Außerdem möchte ich hier noch auf ein tolles Projekt aus Berlin hinweisen:

Trokkenpresse. Die Zeitschrift für Abhängige und Unabhängige.

Die Familie als Bewahrer des Alkoholismus über Generationen

Auf der Suche nach den Ursachen für meinen Alkoholismus muss ich in die Zeit meiner frühen Jugend zurück. Warum war meine Mutter ständig betrunken? An welchem Punkt hat sie die Kontrolle verloren?

Diesen Punkt gibt es nicht. Der Absturz meiner Mutter in den Siebzigern ist nur die konsequente Fortsetzung unserer Familienseuche Alkoholkrankheit.

Mein Urgroßvater war ein Lehrer in Berlin, der sein Haus versoffen hatte. Seine Tochter war dann verheiratet mit einen Pfarrer und Professor der Theologie. Karriere, Ansehen, Titel, Wohlstand – alles gut.

Die wahre Geschichte ist wohl:  als Co-Abhängige hat meine Großmutter sich gezielt einen Trinker rausgesucht, um sein Leben zu organisieren. Vollkommen emotionsfrei regierte sie diese Trinkerfamilie, versteckte die Alkoholika vor ihrem Mann die dieser als Mitbringsel bekam. Als ich klein war, ging mein Großvater mit mir gelegentlich zum Kauf von Spielzeug-Cowboys in einen kleinen Zeitschriftenladen. Dazu nahm er immer eine Ledertasche mit, in der er dann seine Flachmänner nach Hause schmuggeln konnte. Das ganze Familienvokabular war der Trinkerei angepasst: Man „pichelt“ ein „Conjäckchen“ oder Körnchen“.

Einmal in der Woche musste meine Mutter bei ihrer Mutter anrufen das gehörte zum Kontrollprogramm meiner Großmutter. Meine Mutter betrank  sich immer  vor diesem Telefonat und saß dann bei Rotwein und  Zigarette und widersprach ein bis zwei Stunden lang nicht.

Eigentlich ist Dann auch klar, warum meine Mutter planfrei durch die Beziehung zu meinem Vater tappte. Sie hatte sich ja keinen Partner rausgesucht, sondern  ein trinkendes Pflegeobjekt wie ihren Vater. Ihre Aufgabe war  jetzt, die Karriere ihres Mannes zu fördern und den Familien-Alkoholismus zu verbergen.

Als mein Vater dann versuchte aus dieser Eiswüste auszubrechen – erst durch  Seitensprung, dann durch Selbstmordversuch, verstand sie das System nicht mehr – sie hatte dich alles gemacht wie ihre Mutter – und betrank sich  dann täglich vollends.

Warum ist das wichtig?

Alkoholismus platzt nicht plötzlich in intakte Familien.

Die Anzeichen sind immer da   (Körnchen, Ledertasche, Gefühlskälte …).

Alle, die im Umfeld solcher Trinkerwelten groß geworden sind, haben ein verzerrtes Bild und halten selbst exzessiven Alkoholkonsums für normal – selbst wenn sie selbst abstinent leben!

Aber wenn diese Trinker doch Karriere machen – lass sie doch, oder?

Gut. Mach so weiter, wenn

  • Du nie lernen willst, Deinem Partner zu vertrauen.
  • Du diesen Dreck an Deine Enkel weitergeben willst.
  • Du nie herausfinden willst, was mit Dir nicht stimmt.
  • Du weiterhin nur Dinge mit Deiner Familie unternehmen willst, bei denen es was zu saufen gibt.
  • Dir der Porsche reicht.

Alle Punkte gelten übrigens für ALLE Mitglieder einer Alkoholikerdynastie, egal, ob sie selbst alkoholkrank sind oder sogar vollkommen abstinent leben – gemerkt?